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Der Coach

Coaching-Kompetenz

Anforderungsprofil für Business-Coaching-Kompetenzen

Was macht einen qualifizierten Business-Coach aus?

7 Min.

Jemand, der sich „Coach“ nennt, muss dafür – rein rechtlich betrachtet – keinerlei Qualifikation oder Kompetenz nachweisen, es genügt die Bezeichnung als solcher. Zwar gibt es seit längerer Zeit Bestrebungen, hier einen Katalog oder ein Modell zu schaffen, das spezielle Kompetenzen verlangt. Doch entsprechend der Vielfältigkeit des Coaching-Marktes gibt es auch hier zahlreiche Vorstellungen, wie so etwas aussehen müsste. Dabei handelt es sich häufig um Modelle, die aus der Praxis entstanden und wissenschaftlich kaum belegbar sind. Allerdings ist ein Kompetenzmodell für Business-Coaching nur sinnvoll, wenn es praktisch relevant und mit Bezug auf wissenschaftlich erforschte Konstrukte begründbar ist.

Entsprechend basiert dieses Anforderungsprofil für Coaching-Kompetenzen nicht nur auf der langjährigen Praxiserfahrung der Verfasser (Rauen & Steinke, 2018), sondern auch auf einer umfassenden Analyse einschlägiger Forschungsarbeiten zum Thema (zur ausführlichen Entwicklung und Methodik des Kompetenzmodells).

Funktionen

Definitions- und Repräsentationsfunktion: Was ist Coaching dem Verständnis des Modells nach? Wie grenzt sich dieses Verständnis von anderen Coaching-Ansätzen ab?

Coaching-Ausbildung: Welche Fähigkeiten sollen angehenden Coaches vermittelt werden? Welche Ausbildungsinhalte gehören in das Curriculum?

Evaluation: Vorab definierte Coaching-Kompetenzen sind für die Evaluation von Coaching-Ausbildungen sowie Coach-Auswahlprozessen dienlich, da sie Faktoren und Abfragemöglichkeiten liefern.

Zukünftige Weiterentwicklung: Die Integration strategisch relevanter Anforderungen– mit optionalem Bezug auf einen zukünftig gewünschten Zustand – ins Kompetenzmodell ermöglicht es, Organisationen und Personen auf Entwicklungen frühzeitig vorzubereiten (Sarges, 2001). Zudem ermöglicht es das Kompetenzmodell, Entwicklungspfade zum weiteren, künftigen Auf- und Einbau von Coaching-Kompetenzen zu schaffen.

Coaching-Kompetenzmodell

Das Coaching-Kompetenzmodell gliedert sich in fünf Kompetenzklassen: Persönlichkeit (Selbst-Kompetenz), Sozial-kommunikative Kompetenz, Sachkompetenz, Methodenkompetenz und Feld- und Funktionskompetenz. Jede Klasse beinhaltet ihre eignen und spezifischen Kompetenzcluster, die als für die entsprechende Klasse grundlegende Schlüsselkompetenzen zu verstehen sind.

Anhand dieser Einteilung wird Business-Coaching-Kompetenz verstanden als Reflexions- und Handlungsvermögen im Kontext personorientierter dialogischer Begleitung von Menschen in der Arbeitswelt. Hierbei wird einerseits auf die Handlungs- bzw. Aktivitätsorientierung gezielt, sprich auf die Fähigkeit, etwas umzusetzen bzw. zu praktizieren (Erpenbeck & Rosenstiel, 2007). Andererseits auf die (Selbst-)Reflexivität in Sozialbeziehungen (Greif, 2008; Weth, 2014) und das „Bewusste-Verhalten-Zu“ Handlungsmöglichkeiten, Bedingungen, Bedeutungen.

Persönlichkeit

Die Kompetenzklasse Persönlichkeit (Selbst-Kompetenz) ist die „Fähigkeit, sich selbst (Person, Rolle, Organisation) wahrzunehmen und zu reflektieren, für sich selbst verantwortlich handeln [zu] können, eine realistische Selbsteinschätzung vornehmen und eigene Handlungen daran orientieren [zu] können, eigenes Autonomieerleben, Kompetenzerleben und Anstrengungen verantwortlich regulieren [zu] können, Motivation und Aufmerksamkeit in das Coaching einbringen [zu] können“ (DIN Deutsches Institut für Normung, 2006, S. 18). Innerhalb dieser Kompetenzklasse finden sich folgende Kompetenzcluster:

  • Motivation: Leistungs- und Führungsorientierung, Gestaltungswille
  • Wahrnehmungsfähigkeit: Intuition, sinnliches Begreifen, Auffassungsgabe
  • Urteilsfähigkeit: gefühlsmäßiges Beurteilen, analytisches Denken, zuverlässiges Einschätzen
  • Lern- und Entwicklungsfähigkeit: Offenheit für Veränderungen, flexibles Agieren, Weiterentwicklungs- und Lernbereitschaft
  • Selbstregulation: Selbstkontrolle und -management, Emotionale Stabilität, Kontrollüberzeugung, Handlungsflexibilität, Ambiguitätstoleranz

Sozial-kommunikative Kompetenz

Die Kompetenzklasse sozial-kommunikative Kompetenz bezeichnet die Fähigkeiten: Interaktion und Beziehung mit anderen Personen bewusst zu gestalten; sich in der Beziehung zu anderen Personen zweckorientiert und diskursiv zu verständigen; andere Personen und sich selbst in intersubjektiven Beziehungen wahrzunehmen (Habermas, 1981); Personen und soziale Situationen einzuschätzen und die Art der Interaktion auf unterschiedliche Rollen und Kontexte einzustellen. Also Kooperations- und Kontaktfähigkeit, auch in kontroversen zwischenmenschlichen Situationen. Die Kompetenzcluster sind:

  • Beziehungsfähigkeit: Soziale Orientierung, Vertrauen bilden, Beziehungsgestaltung, Kooperativität
  • Kommunikationsfähigkeit: Körpersprache deuten, sich kommunikativ ankoppeln, Verständlichkeit
  • Selbstsicherheit: Konfrontationsfähigkeit, Durchsetzungskraft, Konfliktfähigkeit, Entscheidungsfreudigkeit, Kontaktfähigkeit / Extraversion
  • Reflexibilität: Personwahrnehmung, Reflexionsfähigkeit, Selbstdarstellungskompetenz

Sachkompetenz

Die Kompetenzklasse Sachkompetenz zielt auf die Wissensstrukturen des Coachings. Ein Coach muss demnach in diversen Fach- und Sachbereichen, insbesondere jenen aus den Sozialwissenschaften, reflexions- und urteilsfähig sein – dies bildet letztlich auch seinen Reflexions- und Deutungshintergrund. Was ihm an Erfahrungen aus (beruflichen) Rollen, sozialen Systemen und Organisationen berichtet wird, muss er verstehen und einordnen. Derlei Kompetenzen kann ein Coach in der Regel mittels Qualifikationen oder Zertifikaten nachweisen. Kompetenzcluster:

  • Allgemeinbildung: Coaching-Weiterbildung, Studienabschluss
  • Psychologische, philosophische, soziologische, wirtschaftswissenschaftliche und pädagogische Ressourcen und Ressourcen der Coaching-Forschung: Jeweils Benennen, Beurteilen, Verstehen, Synthetisieren, Analysieren
  • Juristische Ressourcen: Jeweils Benennen, Anwenden, Verstehen
  • Integration von Theorie und Praxis: wissenschaftliche Fundierung, Reflektierter Theorieeinsatz

Methodenkompetenz

Die Kompetenzklasse Methodenkompetenz bezeichnet die zielgerichtete und systematische Strukturierung von Tätigkeiten. D.h., die Fähigkeit, eigenständig Vorgehensweisen und Strategien einzusetzen, um in entsprechenden Situationen Aufgaben zu bewältigen, Absichten zu realisieren, Probleme zu lösen und selbst Methoden (weiter) zu entwickeln. Kompetenzcluster:

  • Dialogkompetenz: Aktiv zuhören, Feedback geben, Fragen, Dialog führen
  • Planungskompetenz: Auftrags-, Ziel- und Erwartungsklärung, Vertragsschluss, Arbeitsplanaufstellung, Evaluationsetablierung
  • Analytische Kompetenz: rekonstruieren/diagnostizieren, Zusammenhänge vermitteln, Lösungen entdecken
  • Didaktische Kompetenz: Lernen begleiten, Transfer sichern, Passung sicherstellen, lösungs- und zielorientiert arbeiten und denken und handeln
  • Kognitiv-emotive Entwicklungskompetenz: Methodenplural agieren, Reflexion stimulieren, Bewusstsein schaffen, Mustererkennung nutzen, Assoziieren/Dissoziieren, Metaphern und Analogien nutzen, Gegen-/Übertragung nutzen, Ressourcenankopplung, sich positionieren, Widersprüche handhaben, Veränderungsprozesse gestalten

Feld- und Funktionskompetenz

Die Kompetenzklasse Feld- und Funktionskompetenz zielt auf den Umgang mit der spezifischen Kultur eines Unternehmens/Organisation, Berufsfeldes oder einer Branche. Hierfür nötig ist implizites Erfahrungswissen, das oft nicht vollständig zugänglich bzw. reflektiert ist. Mithilfe dieses Wissens kann ein Coach an soziale Systeme und dort geltende Werte und Normen ankoppeln, kann für sich und seine Interventionen Akzeptanz erlangen und so die für seinen Klienten relevanten Kulturphänomene und Vorgänge entsprechend deuten und im Coaching aufnehmen. Kompetenzcluster:

  • Professionalität: Realistische Selbsteinschätzung, Rollenklarheit, Wahrung von Professionsethik, konzeptionelle Auskunftsfähigkeit, Vermarktungsfähigkeit
  • Feld- und Funktionserfahrung: Persönliche Reife, inter-/kulturelle Kompetenz, Geschäfts- und Branchenkompetenz, divisionale und organisationale Kompetenz, soziale Rollenkompetenz, Funktionskompetenz,
  • Berufliche Fortbildung und Entwicklung: Lernen, Psychohygiene, Selbsterfahrung
  • Organisationale Kompetenz: Systemkomplexität und Organisationsphänomene handhaben, Gruppenprozesse gestalten
  • Rollenbewusstsein: Karriere entwickeln, Führung fokussieren, Rollenverhalten optimieren
  • Mikropolitisches Geschick: Krisen bewältigen, institutionelle Interaktion gestalten, Machtgebrauch entwickeln

Literatur

  • DIN Deutsches Institut für Normung (2008). Kompetenzfeld Einzel-Coaching. PAS 1029:2008. Berlin: Beuth.
  • Erpenbeck, J. & Rosenstiel, L. v. (Hrsg.). (2007). Handbuch Kompetenzmessung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
  • Greif, S. (2008). Coaching und ergebnisorientierte Selbstreflexion. Göttingen: Hogrefe.
  • Habermas, J. (1981). Theorie des kommunikativen Handelns. Band 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
  • Sarges, W. (2001). Competencies statt Anforderungen – nur alter Wein in neuen Schläuchen? In Hans-Christian Riekhof (Hrsg.), Strategien der Personalentwicklung (S. 285–300), Wiesbaden: Gabler.
  • Weth, U. (2014). Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz. Basel: Wirkstatt.
David Ebermann

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Dawid Ebermann

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